Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetz)
Der Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter e.V. (BDFR) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme und äußert sich zu den steuerlichen Regelungen im Entwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-ReformG-E) wie folgt:
Der pAV-ReformG-E folgt der Reformempfehlung der Fokusgruppe private Altersvorsorge, die die Notwendigkeit einer Reform zutreffend gesehen hat. Neben der unbefriedigenden Rendite ist das Verfahren im XI. Abschnitt im Zusammenspiel mit § 10a EStG – wie sich in der finanzgerichtlichen Praxis ge-zeigt hat – sehr aufwändig, bürokratisch und für die Bürgerinnen und Bürger teilweise undurchschaubar. Bereits die Länge einzelner Vorschriften – z.B. §§ 92a, 93 EStG – wirkt abschreckend.
Der Gesetzentwurf vom 23. September 2024 unterteilt sich in zeitlicher Hinsicht in 3 Abschnitte.
I.
Die Änderungen in Art. 1 pAV-ReformG-E gelten bereits ab 2025 und sind auf das „alte“ Riesterrecht anzuwenden. Neben der Erhöhung des Sonderausgabenabzugs von 2.100 € auf 3.500 € sind die Änderungen in Art. 1 pAV-ReformG-E eher bereinigender Natur. Sie folgen u.a. der schon ab 2024 geltenden Neuregelung des Verfahrens (§ 90 EStG), welches bereits eine Vereinfachung herbeiführen soll(te). Aus der finanzgerichtlichen Praxis kann die erst ab diesem Jahr geltende Regelung bzw. Änderung des Zulagenverfahrens (eingeführt durch das JStG 2022) noch nicht bewertet werden, weil es sich faktisch erst nach Ablauf des Beitragsjahres 2024 bewähren kann.
II.
Art. 2 pAV-ReformG-E ändert das EStG ab 2026 und führt ein neues Zulagenverfahren ein.
1. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass eine grundlegende Änderung eingeführt werden soll, die die Prüfung der Vorjahreseinnahmen obsolet machen soll.
Ob dieses jedoch mit den nunmehr vorgesehenen Änderungen in der gewünschten Intensität gelingen wird, bleibt zweifelhaft.
Die Höhe der Grundzulage soll künftig nicht mehr als fester Betrag vorgegeben werden, sondern 20% der Beiträge maximal bis zur Höhe des Höchstbetrages nach § 10a EStG (3.000 € bzw. 3.500 €) mithin 600 € bzw. 650 € betragen. Dazu soll dann auch die Kinderzulage von der Beitragsleistung abhängig sein. Geringverdiener, die als Bezieher von „maßgebenden Einnahmen“ in Höhe von 26.250 € des betreffenden Beitragsjahres angenommen werden, erhalten dann grds. – der Mindestbeitrag von 120 € muss aber erbracht sein – unabhängig von ihrer Beitragsleistung den Bonus von 175 €. Dieser Bonus soll von Amts wegen gewährt werden.
Das dürfte indessen weiter erfordern, die beitragspflichtigen Einnahmen (grds. von der Deutschen Rentenversicherung aber auch ggf. von den Besoldungsstellen) im Folgejahr (im maschinellen Wege) zu erfragen. Ob dies zutreffend erfolgt bzw. erfolgt ist, ist dann von dem Zulagenberechtigten zu überprüfen. Hier ist mithin mit erheblichem Streitpotential zwischen Zulagenberechtigten und der Zentralen Zulagenstelle zu rechnen, etwa bei fehlerhaften Daten, fehlender Übermittlung, Unwissenheit der Zulagenberechtigten über den Anspruch etc.
2. Einen weiteren Anreiz sollen erhöhte Berufseinsteigerbonuszahlungen dar-stellen (§ 84 Satz 2 EStG i.d.F. Art. 2 Nr. 8 pAV-ReformG-E).
Bisher beträgt diese Sonderleistung einmalig 200 € und soll nun aber auf 3 Beitragsjahre ausgedehnt werden, wenn der Zulagenberechtigte als Berufseinsteiger das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Ob diese Zeitgrenze für alle 3 Jahre oder nur für das erste Beitragsjahr gelten soll, ergibt sich jedoch nicht eindeutig aus dem neuen Wortlaut.
In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass diese Förderung faktisch erst in ca. 40 Jahren zum Tragen kommt. Ob diese Folge dem jungen Zulagenberechtigten bewusst (oder überhaupt wichtig) sein wird, dürfte fraglich sein.
3. Die grundlegende Reformentscheidung, nunmehr nur noch zwei zertifizierte Altersvorsorgeverträge zu fördern, die unterschiedlichen Produktkategorien angehören, ist als förderpolitische Maßnahme von hier aus nicht zu bewerten. Gleiches gilt für die Einbeziehung risikofreudigerer Anlageformen. Dass der Verwaltungsaufwand beim Zusammentreffen mehrerer Verträge (§ 87 EStG i.d.F. Art. 2 Nr. 11 pAV-ReformG-E) erhöht sein wird, ist notwendige Folge dieser Entscheidung.
Aus der Begrenzung der Einzahlung auf den Höchstbetrag nach § 10a EStG ergibt sich nachvollziehbar eine Vereinfachung daraus, dass bei Auszahlung alles nachgelagert versteuert werden kann, also Beiträge, Zulagen und Zinsen/Erträge. Darin liegt eine sicherlich zu begrüßende Bürokratie abbauende Neuregelung, da es bisher noch möglich ist, nicht begünstigte Zahlungen auf den alten Riestervertrag zu leisten, die dann bei der späteren Auszahlung nicht noch einmal besteuert werden sollen; die insoweit durchzuführende Auseinanderrechnung entfällt, wird jedoch mit einer Begrenzung des Kapitalstocks erkauft.
III.
Die dritte Phase des Gesetzentwurfs ergibt sich aus Art. 3 pAV-ReformG-E, welcher Änderungen vorsieht, die erst ab 2027 gelten sollen. Es ist zu hoffen, dass die durch Art. 3 Nr. 1 a) pAV-ReformG-E in § 10a Abs. 6 EStG geplante Anpassung zur Ausräumung EU-rechtlicher Risiken im Hinblick auf die Stel-lungnahme der EU-Kommission vom 3. Oktober 2024 nicht zu spät kommt.
1. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass das so genannte Wohnriester vereinfacht werden soll.
Mit der geplanten Neuregelung können die bei dem Finanzgericht geführten Klageverfahren zur nachgelagerten Besteuerung in Form der zunächst erfolgenden fiktiven Versteuerung vermieden werden. Dadurch ist zwar angesichts der Verteilung des zu versteuernden Betrages auf 3 statt auf 20 Jahre von einer höheren Steuerprogression auszugehen. Andererseits entfällt die Verzinsung und nach den drei Jahren ist der Anleger quasi „frei“, denn er kann dann sogar die begünstigte Immobilie verkaufen, ausziehen oder die Selbstnutzung aufgeben.
Diese Neuregelung hat zwar den Vorteil, dass der Überwachungszeitraum entfällt, die Regelung tatsächlich Bürokratie abbaut und mehr Flexibilität ermöglicht. Allerdings entfernt sich diese Handhabung in bedenklicher Weise von dem in der Begründung dokumentierten Gesetzeszweck.
2. Diese recht großzügige Handhabung steht auch im Widerspruch dazu, dass nach der finanzgerichtlichen Erfahrung die Zentrale Zulagenstelle die Vorgän-ge der Entnahme sehr formalistisch prüft und eine Entnahme in vielen Fällen erschwert, obwohl zum Zeitpunkt der Entnahme – jedenfalls zum Zeitpunkt der Überprüfung der Entnahme – der Gesetzeszweck eigentlich erfüllt ist.
Es ist vor diesem Hintergrund daher bedauerlich, dass die Gelegenheit verpasst wurde, den Tatbestand des § 92a Abs. 1 EStG anzupassen bzw. zu konkretisieren. Zwar geht die Neuregelung davon aus, dass es keines Mindestentnahmebetrages mehr bedarf und auch kein Mindestbetrag mehr auf dem Vertrag verbleiben muss. Die eigentliche Voraussetzung, nämlich die Entnahme bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens – wobei stets davon auszugehen ist, dass die begünstigte Wohnung die Hauptwohnung ist oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen darstellt –, ist jedoch nicht verändert worden.
Aus dieser Regelung ergaben/ergeben sich in der Praxis oft Probleme in Fällen, bei denen z.B. ehebedingt die Eintragung in das Grundbuch später erfolgte, die Wohnung aber vom anderen Ehegatten zunächst erworben worden war, oder der Einzug sich verzögert, also die Selbstnutzung erst später aufgenommen wurde. Obwohl in vielen Fällen das Ziel, dass es Aufwendungen für eine selbstgenutzte und auch mittlerweile im Eigentum stehende Wohnung gibt, für die der begünstigte Vertrag genutzt werden soll, erreicht ist, scheitern viele Fälle an den streng formalistisch ausgelegten Tatbestandsmerkmalen.
3. In diesem Zusammenhang ist auch die Neuregelung ab 2027 durch § 92a Abs. 3 Satz 9 Nr. 3 EStG i.d.F. Art. 3 Nr. 9 d) dd) ccc) pAV-ReformG-E zu erwähnen, dass es im Fall einer Scheidung unschädlich ist, wenn der Ehepartner die Wohnung vor der Scheidung bzw. ohne eine richterliche Entscheidung verlässt, um die für die Scheidung erforderliche Trennung der häuslichen Gemeinschaft zu bewirken (s. Begründung zum pAV-ReformG-E, S. 82). Die Gesetzesbegründung betont ausdrücklich, dass dies für „künftige“ Fälle gilt. Hier drängt sich die Frage auf, warum eine derartige (eigentlich selbstverständliche) Regelung nicht bereits ab 2025 (oder sogar rückwirkend für alle noch offenen Fälle) gelten kann, sondern sogar erst ab 2027 zu berücksichtigen sein soll.
4. Diese Frage drängt sich im Übrigen auch für die Neuregelung in § 85 Abs. 2 EStG i.d.F. Art. 3 Nr. 6 pAV-ReformG-E ab 2027 auf. Darin wird nunmehr eine geschlechtsneutrale Zuordnung der Kinderzulage vorgenommen (s. Begründung zum pAV-ReformG-E, S. 74). Derzeit erfolgt bei verheirateten Eltern verschiedenen Geschlechts eine typisierende Zuordnung bei der Mutter. Dies führt in der Praxis öfter zu Unverständnis und könnte daher auch bereits – da es mit der neuen Systematik der Altersvorsorge/Riester nichts zu tun hat – ab 2025 gelten.
IV.
Zu begrüßen ist, dass versucht wird, die komplexen Regelungen für die Praxis etwas handhabbarer zu machen. Ob dies mit den nunmehr angedachten Schritten gelingen kann, dürfte sich erst nach einer Erprobungsphase ergeben, die nach der Begründung (pAV-ReformG-E Allgemeiner Teil A. VII., S. 56) nach fünf Jahren geplant ist.
Nach den bisherigen finanzgerichtlichen Erfahrungen dürfte die Umstellungsphase problematisch werden. Es ist allerdings aus Gründen des Vertrauensschutzes notwendig, die bisherigen Vorschriften für Altverträge grundsätzlich weitergelten zu lassen. Die Möglichkeit für die Zulagenberechtigten, freiwillig den Vertrag umzustellen, der dann an die neuen Regelungen anzupassen wäre, oder zusätzlich einen neuen Vertrag zu wählen, dürfte jedoch dazu führen, dass sowohl Anbieter als auch die Zentrale Zulagenstelle mehrere Regelungen anwenden und abgrenzen müssen. Da zudem die „alten“ Regelungen zum Wohnförderkonto bestehen bleiben, wenn die Entnahme bereits erfolgt ist und auch das Wohnförderkonto bereits festgestellt ist, dürfte es für Anbieter oder deren Berater eine nicht zu unterschätzende Herausforderung werden, vor diesem Hintergrund eine zutreffende und auch wirtschaftlich vernünftige Einschätzung und Beratung vorzunehmen.
V.
Ob das neue Konzept die Anbieter, die der bisher geltende Bürokratieaufwand eher abgeschreckt hat, die Vereinfachungen für ausreichend halten, kann von hieraus nicht eingeschätzt werden.
Da es jedoch bei der Sanktionsregelung des § 96 Abs. 2 EStG bleiben soll, kommen insoweit durchaus Zweifel auf. Nach unserer Kenntnis sind in der finanzgerichtlichen Praxis Anwendungsfälle für diese Norm bisher nicht bekannt geworden. Daher sollte deren Notwendigkeit überdacht werden, auch wenn in finanzgerichtlichen Verfahren durchaus Fehlberatungen deutlich geworden sind. Es sollte erwogen werden, ob insoweit die zivilrechtliche Auseinandersetzung zwischen Anbieter und Zulagenberechtigten in Haftungsfällen ausreichenden Schutz gibt.