Entwurf einer Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten von Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts an die Gerichte im gerichtlichen Verfahren
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter e.V. (BDFR) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Diskussionsentwurf. Wir möchten auf die nachfolgenden Punkte hinweisen.
Der BDFR begrüßt den Entwurf der BehAktÜbVO. In den meisten deutschen Finanzgerichten ist die elektronische Akte bereits führend. Gerichtsakten in Papierform wird es in Zukunft nicht mehr geben. Die Verwaltungsvorgänge und Akten der in Verfahren beteiligten Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, vor allem der Finanzämter, werden allerdings weiterhin in Papierform übersandt. Einzige Ausnahme bilden die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit, die ihre Akten in Kindergeldverfahren bereits elektronisch übersenden.
Die Übersendung von Papierakten erfordert eine parallele Infrastruktur für Posteingang und -versand sowie zusätzliches Personal. Ausschließlich elektro-nische Arbeitsabläufe ermöglichen zudem eine bessere Wahrung von Daten-schutz und Steuergeheimnissen, da Lesezugriffe über ein Berechtigungsmanagement besser gesteuert werden können als bei der Lagerung von Papierakten in allgemein zugänglichen Räumlichkeiten. Des Weiteren ermöglichen nur vollständig digitale Verfahrensakten einschränkungsloses mobiles Arbeiten und Homeoffice.
Daher ist es ausdrückliches Ziel des BDFR, dass die Finanzgerichte möglichst alle Verwaltungsakten elektronisch zu erhalten. Die derzeitige hybride Akten-führung, bei der ein Teil der Akten elektronisch und ein anderer Teil in Papier-form vorliegt, ist umständlich und führt dazu, dass elektronische Vorgänge teil-weise ausgedruckt und mitsamt den Papiervorgängen in Papierform übersandt werden. Die Übersendung von Verfahren an das Rechtsmittelgericht (Bundesfi-nanzhof) sowie Verweisungen an andere Gerichte werden durch diese hybride Aktenführung erschwert. Zudem kommt bei der Gewährung von Akteneinsicht aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und der BFH-Rechtsprechung eine Über-sendung an den jeweiligen Prozessbevollmächtigten regelmäßig nicht in Be-tracht. Die Akteneinsicht muss daher im Gericht oder einer anderen hoheitli-chen Stelle erfolgen. Dies löst beim Gericht (Akteneinsicht in der Serviceein-heit) und beim Berater gleichermaßen Aufwand (Zeit/Kosten) aus und ist nicht mehr zeitgemäß. Das Akteneinsichtsportal kann seine Wirkung im Finanzge-richtsprozess erst dann entfalten, wenn auch die Steuerakten digital vorliegen.
Vor diesem Hintergrund regt der BDFR folgende Anpassungen der BehAkt-ÜbVO an:
§ 1 VO Anwendungsbereich
Hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Verordnung wird in § 1 auf die Übermittlung „elektronisch geführter Akten“ Bezug genommen. Der BDFR empfiehlt, dass die Verordnung auch bei hybrider Aktenführung in Behör-den anzuwenden ist. In den Finanzämtern liegen die Verwaltungsvorgän-ge bereits jetzt größtenteils elektronisch vor, teilweise noch in Papierform. Um die einen Streitfall betreffenden Akten in einem einheitlichen Schritt an die Gerichte übersenden zu können, drucken die Finanzämter die elektronischen Vorgänge aus, fügen sie mit den Papiervorgängen zu-sammen, paginieren die Seiten und versenden das Konvolut per Post. Diese Vorgehensweise erfolgt auch dann, wenn fast alle Verwaltungsvor-gänge elektronisch vorliegen und nur wenige den Streitfall betreffende Dokumente in Papier vorliegen. Es wird daher angeregt, § 1 Abs. 2 der Verordnung auf hybrid geführte Akten zu erweitern. In den Finanzbehörden noch vorhandene Aktenteile in Papierform sollten daher zum Zweck der Übersendung an die Gerichte von den Behörden mittels Scannen in die elektronische Form überführt werden.
§ 2 VO Übermittlung elektronischer Akten
Da fast alle Fachgerichte von Bund und Ländern und viele Behörden auf elektronische Aktenführung umgestellt haben, sollte die Formulierung in § 2 Abs. 1 VO "sollen elektronisch übermittelt werden" durch "sind elektronisch zu übermitteln" ersetzt werden.
Der BDFR gibt darüber hinaus zu Bedenken, dass § 2 Abs. 2 VO eine ggf. nicht gewollte Einschränkung auf die Nutzung des elektronischen Behördenpostfachs als sicheren Übermittlungsweg (§ 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FGO) enthält. Denn auch wenn Behörden in der Regel keine externen Anwälte oder Steuerberater bevollmächtigen, sollten in den verbleibenden Einzelfällen keine unnötigen Probleme geschaffen werden, zumal ein Grund für eine solche Beschränkung nicht ersichtlich ist. Daher sollte es u.E. überdacht werden, die Übermittlung auf alle nach den Prozessordnungen als sicher anerkannten Übermittlungswege zu erstrecken.
In § 2 Abs. 4 Satz 1 VO sollte die „Soll-Regelung“ in eine „Muss-Regelung“ geändert werden. Ein strukturierter maschinenlesbarer Daten-satz im Dateiformat XML ist für die effektive Bearbeitung durch die Gerichte unverzichtbar.
Perspektivisch sollte zudem in Erwägung gezogen werden, hierzu korrespondierend auch in § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) klarstellend aufzunehmen, dass die elektronisch geführten Akten der Finanzbehörden den Gerichten als digital durchsuchbare Dokumente vorzulegen sind, so-weit dies technisch möglich ist. Durch diese Änderung würde auch der Gleichlauf zu der parallelen Vorschrift in § 99 Abs. 1 Verwaltungsgerichts-ordnung (VwGO) wiederhergestellt.
§ 3 Format der Übermittlung; Eignung zur Bearbeitung
In vielen Fällen sind streitfallbezogene Informationen nur als Datensätze gespeichert und nicht als PDF-Dateien visualisiert, was die Lesbarkeit au-ßerhalb der verwaltungseigenen Fachanwendungen erschwert. Der BDFR begrüßt daher, dass solche Daten nach § 3 Abs. 1 im PDF-Format an das Gericht übermittelt werden müssen.
§ 4 Ersatzmaßnahmen
Der BDFR regt an, die Behörden bei Überschreiten der Höchstgrenzen dazu anzuhalten, die Akten zu splitten und als Teilakten in mehreren Vor-gängen zu übersenden. Die jetzt in § 4 Abs. 2 VO vorgesehene Möglich-keit der Übersendung eines physischen Datenträgers bei Überschreiten der Höchstgrenzen ist nicht sachgerecht. Die Übertragung der Daten von einem Datenträger in das Fachverfahren/eAkten-Programm ist aufwändig und sollte daher vermieden werden.
Die Eröffnung der Möglichkeit in § 4 Abs. 3 VO, als Ersatzmaßnahme den Inhalt der Akte zum Abruf bereitzustellen, sollte von konkreten Vorausset-zungen abhängig gemacht werden, damit die Behörden den Einzelfall nicht zum Regelfall machen. Darüber hinaus sollte dieser Weg auch nur dann nur eröffnet sein, wenn dem jeweiligen Gericht die technischen Mög-lichkeiten zum Abruf zur Verfügung stehen.
§ 5 Inkrafttreten
Der BDFR begrüßt das sofortige Inkrafttreten der Verordnung. Spätestens ab dem 1.1.2026 sollte eine Regelung eingeführt werden, die die Behör-den verpflichtet, noch vorhandene Papierakten in die elektronische Form zu überführen. Dies ist angesichts der verfügbaren technischen Möglich-keiten zumutbar und verhindert Medienbrüche, die ineffiziente hybride Ar-beitsweisen verursachen.
Mit einer Veröffentlichung der Stellungnahme sind wir einverstanden. Gerne stehen wir auch für weitere Stellungnahmen und Anhörungen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Schmittberg
Dr. Ingo Oellerich
Anke Krautstrunk
Dr. Felix Kessens
Dr. Tobias Schöppner